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Hund versteckt sich aus Angst vor Silvesterknallern unter einer Decke

Silvesterangst beim Hund

Der große Tierarzt-Guide für einen entspannten Jahreswechsel

Der 31. Dezember ist für viele Menschen ein Grund zu feiern. Für uns Hundebesitzer – und ganz besonders für mich als Tierärztin – ist es oft der stressigste Tag des Jahres.

Ich sehe es jedes Jahr in meiner Praxis: Verzweifelte Besitzer und panische Hunde. Die Angst vor lauten Geräuschen (Geräuschphobie) ist für unsere Vierbeiner keine Lappalie, sondern purer Stress. Wenn Ihr Hund an Silvester zittert, hechelt oder sich im Badezimmer verkriecht, leiden Sie mit.

In diesem Artikel zeige ich Ihnen als Tierärztin, was wirklich hilft. Wir schauen uns an, was Sie langfristig tun können, wie Sie das "Management" am Tag X gestalten und welche Medikamente sinnvoll sind (und von welchen Sie unbedingt die Finger lassen sollten).

 

Warum haben Hunde Angst vor Silvester?

Zunächst müssen wir verstehen: Ihr Hund übertreibt nicht. Sein Gehör ist dem unseren weit überlegen. Hunde hören Frequenzen, die wir gar nicht wahrnehmen, und sie hören Geräusche etwa viermal lauter als wir.

Ein Böller ist für einen Hund nicht nur "laut". Es ist eine körperliche Bedrohung. Hinzu kommt, dass Silvester unberechenbar ist. Ein Gewitter kündigt sich oft durch Luftdruckveränderungen an – ein Knaller kommt aus dem Nichts.

Woran erkenne ich, dass mein Hund Angst hat?

Manche Signale sind offensichtlich, andere subtil. Achten Sie auf diese Symptome:

  • Offensichtliche Panik: Starkes Zittern, Hecheln, Speicheln, Fluchtversuche, Verkriechen unter Möbeln
  • Subtile Stresszeichen: Lippenlecken, Gähnen, angelegte Ohren, „Walauge“ (man sieht das Weiße im Auge), Appetitlosigkeit

 

Wichtiger Hinweis: Viele Hunde entwickeln eine Geräuschangst erst im Laufe ihres Lebens. Nur weil Ihr Hund letztes Jahr noch entspannt war, muss das dieses Jahr nicht so sein. Ignorieren Sie die ersten Anzeichen nicht!

 

Die Vorbereitung: Was Sie Wochen vorher tun können

Wenn Sie diesen Artikel im November oder Anfang Dezember lesen: Perfekt! Sie haben noch Zeit für sanfte Methoden.

1. Nahrungsergänzungsmittel (Start: Anfang Dezember)

Es gibt natürliche Mittel, die den Stresspegel senken, damit der Hund nicht so schnell überreizt. Diese brauchen aber Anlaufzeit!

  • Zylkene (Alpha-Casozepin): Ein Milchprotein, das beruhigend wirkt (ähnlich wie Muttermilch bei Welpen)
  • L-Tryptophan: Eine Aminosäure, die die Serotonin-Bildung unterstützt
  • CBD-Öl: Kann bei vielen Hunden entspannend wirken (bitte auf spezielle Veterinär-Produkte ohne THC achten)

2. Desensibilisierung (Training)

Es gibt spezielle Geräusch-CDs oder Playlists (z. B. auf Spotify oder YouTube), mit denen Sie Böllergeräusche leise abspielen und positiv verknüpfen können (Füttern/Spielen).

Achtung: Beginnen Sie damit niemals erst wenige Tage vor Silvester, das kann die Angst verschlimmern!

 

Der Tag X: Management-Maßnahmen für Silvester

Es ist der 31. Dezember. Jetzt geht es um Krisenmanagement. So bauen Sie Ihrem Hund eine Festung gegen die Angst:

Die "Safe Zone" schaffen

  • Rollläden runter: Bereits am Nachmittag! Das dämpft den Schall und – noch wichtiger – sperrt die Lichtblitze aus.
  • Licht an: Lassen Sie in allen Räumen helles Licht brennen. So werden Lichtblitze von draußen weniger intensiv wahrgenommen.
  • Gegen-Geräusche: Lassen Sie den Fernseher oder Musik laufen (etwas lauter als sonst). Klassik, Reggae oder Hörbücher wirken oft beruhigend. Es gibt auch spezielle „Relax My Dog“-Playlists.
  • Höhlen bauen: Manche Hunde lieben es eng und dunkel. Eine Box mit einer dicken Decke darüber (offene Tür!) oder ein Platz im fensterlosen Badezimmer kann Wunder wirken.

Der Zeitplan & Sicherheit

  • Gassi-Runden: Die letzte große Runde findet mittags statt, idealerweise in ruhigen Waldgebieten. Abends (gegen 20/21 Uhr) nur noch kurz in den Garten oder vor die Tür.
  • Sicherung ist Pflicht: In den Tagen um Silvester gehört jeder Angsthund an die Leine! Am besten doppelt gesichert (Halsband + Sicherheitsgeschirr). Ein erschreckter Hund windet sich in Sekunden aus einem normalen Halsband.
  • Fütterung: Eine große Portion Kohlenhydrate (Nudeln/Kartoffeln) kann müde machen. Kauartikel oder Schleckmatten beruhigen durch die Kieferbewegung.

 

Medizinische Hilfe & Hilfsmittel

Hier herrscht oft große Verunsicherung. Klären wir auf, was medizinisch Sinn macht.

Hilfsmittel ohne Rezept

  • Thundershirt: Ein eng anliegender Body, der sanften Druck auf den Brustkorb ausübt (ähnlich wie das Pucken bei Babys). Hilft vielen Hunden, aber bitte probieren Sie es vorher einmal an und lassen Sie den Hund es "eintragen".
  • Adaptil: Pheromone (als Verdampfer für die Steckdose oder Halsband), die Sicherheit vermitteln.

Der Mythos Eierlikör – Ja oder Nein?

Als Tierarzt sage ich: Es ist ein zweischneidiges Schwert, aber ja, es kann als Notfalllösung funktionieren. Alkohol wirkt in geringen Mengen angstlösend (anxiolytisch).

  • Die Dosierung ist entscheidend: Man rechnet oft mit Kleinstmengen (bitte Rücksprache mit der Tierärztin halten!).
  • Voraussetzung: Der Hund muss gesund sein (keine Leber-/Nierenschäden!) und den Geschmack mögen.
  • Niemals bei Hunden anwenden, die bereits andere Medikamente bekommen!

Verschreibungspflichtige Medikamente

Wenn Training und Management nicht reichen, ist echte Medizin Tierschutz. Wir wollen Panik vermeiden.

⚠️ WARNUNG vor Acepromazin (Vetranquil, Sedalin) ⚠️

Früher war dies das Standardmittel. Heute raten wir Tierärzte dringend davon ab!

Warum? Es macht den Hund bewegungsunfähig, aber es dämpft die Geräuschwahrnehmung kaum. Der Hund liegt also gelähmt in der Ecke, bekommt die Knallerei aber voll mit und kann nicht weglaufen. Das führt oft zu einem massiven Trauma. Verwenden Sie dieses Mittel keinesfalls für Silvester!

Die modernen Alternativen (nur in Tierarztpraxen erhältlich)

  • Sileo (Dexmedetomidine): Ein Gel, das auf die Mundschleimhaut aufgetragen wird. Es blockiert die Noradrenalin-Ausschüttung. Der Hund bleibt wach, hat aber keine Angst mehr. Sehr gut steuerbar.
  • Pexion: Ein Epilepsie-Medikament, das in höherer Dosierung angstlösend wirkt. Muss oft schon Tage vorher gegeben werden.
  • Alprazolam / Diazepam: Echte Angstlöser (Benzodiazepine). Sie wirken stark und zuverlässig, können aber enthemmen (Vorsicht bei aggressiven Hunden).

 

Mein Rat: Sprechen Sie jetzt (nicht erst am 30. Dezember) mit uns über das passende Medikament für Ihren Hund.

 

Die größten Fehler: Was Sie NICHT tun sollten

Mythos: "Nicht trösten!"

Veraltete Hundeschulen behaupten oft, man dürfe den Hund nicht streicheln, wenn er Angst hat, weil man die Angst sonst bestätigt. Das ist falsch. Angst ist eine Emotion, kein Verhalten. Sie können Angst nicht durch Zuwendung verstärken.

Bitte trösten Sie Ihren Hund! Wenn er Kontakt sucht, lassen Sie ihn zu sich auf das Sofa. Ihre Ruhe und Nähe (Social Support) senken seinen Cortisolspiegel. Seien Sie sein Fels in der Brandung.

Den Hund allein lassen

Lassen Sie Ihren Hund an Silvester niemals allein zu Hause. Auch der bravste Hund kann sich in Panik verletzen oder Mobiliar zerstören.

Experimente am Silvesterabend

Geben Sie niemals Medikamente zum ersten Mal direkt am Silvesterabend (paradoxe Reaktionen sind möglich). Testen Sie Dosierungen immer an einem ruhigen Tag vorher in Absprache mit der Tierärztin.

 

FAQ – Häufige Fragen

Helfen Bachblüten (Rescue Tropfen) wirklich?

Wissenschaftlich ist keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus nachgewiesen. Wenn Sie als Besitzer dadurch ruhiger werden, überträgt sich das aber positiv auf den Hund. Bei echter Panik reichen sie jedoch nicht aus.

Wann sollte ich zum Tierarzt gehen?

Wenn Ihr Hund extrem speichelt, angstpinkelt, sich selbst verletzt oder nach Silvester tagelang nicht mehr rausgehen will. Dann brauchen wir einen Therapieplan.

Kann ich Gehörschutz für Hunde verwenden?

Ja, es gibt spezielle "Mutt Muffs" oder Wattebäusche (vorsichtig!) für die Ohren. Das muss aber wochenlang trainiert werden, sonst stresst der Fremdkörper im Ohr den Hund zusätzlich.

 

Fazit: Sie sind nicht machtlos

Silvester mit einem Angsthund ist anstrengend, aber mit der richtigen Vorbereitung machbar. Kombinieren Sie rechtzeitig Nahrungsergänzungsmittel mit einem guten Management am Tag X. Scheuen Sie sich nicht, uns nach echten Medikamenten zu fragen – kein Hund sollte unnötig leiden.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Fellnase einen möglichst ruhigen Rutsch und ein gesundes neues Jahr!

 

Geschrieben am

2025/12/01

Dr. med. vet. Cornelia Fricke

Fachtierärztin und Praxisinhaberin in Leipzig

Zusatzbezeichnung Zier-, Zoo- und Wildvögel und Reptilien

Tierzahnärztin (Deutsche Gesellschaft für Tierzahnheilkunde)

Autorin: Dr. med. vet. Cornelia Fricke

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